Erscheinungsdatum: 15.12.2015

Mit der neuesten Generation der Laserscanning-Technologie wird die Restaurierung eines mittelalterlichen Kirchenmöbels möglich

Die Studienrichtung "Möbel und Holzobjekte" hat 2010 ein aufwändig geschnitztes und intarsiertes Gestühl aus Siebenbürgen/Rumänien zur exemplarischen Restaurierung in ihre Werkstätten übernommen. Das imposante Kirchenmöbel mit zwei Sitzabfolgen war fast 500 Jahre lang im Chor der Kirche von Tobsdorf/Dupus aufgestellt, bevor es 2003 von einheimischen Restaurator/inn/en abgebaut und in viele Einzelteile zerlegt wurde.

Die Festigkeit des Lindenholzes war durch Insektenfraß in einem bisher nicht gekannten Ausmaß geschädigt: Ein Labyrinth von Fraßgängen perforiert die starken Bohlen der Konstruktion durch und durch. Zudem setzte aufsteigende Bodenfeuchtigkeit den Standkanten der tragenden Gestühlswangen derart zu, dass sie in bizarren Brüchen buchstäblich einknickten.

Dieser Herausforderung stellten sich fünf Semester lang ebenso viele Generationen von engagierten Studierenden und entwickelten eine Methodik, Dutzende von Einzelteilen im kontrollierten Tränkverfahren mit gelöstem Acrylharz sozusagen inwendig zu stabilisieren.

Die Vervollständigung der ruinösen Standkanten der Gestühlswangen, die das gesamte Gewicht des Aufbaus mit Dorsal, Baldachin und Gesimskranz zu tragen haben, sollte idealerweise ohne weiteren Verlust an historischer Substanz, d.h. unter Erhaltung des extrem unregelmäßigen Bruchreliefs erfolgen. Dieser hohe Anspruch konnte durch den Einsatz modernster Lasertechnik in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit den Spezialisten des Rapid Prototyping Labors der Fakultät Gestaltung, Dipl.-Des. Reiner Schneider, seinen Tutoren und dem Labor für Holzbearbeitung der Fakultät Bauen und Erhalten, Dipl.-Ing. Norbert Linda verwirklicht werden. Das nadelartig ausgeprägte Relief der Bruchkanten, vorübergehend kaschiert mit hauchdünnem Japanpapier, wurde mit dem Creaform 3D-Handscanner berührungsfrei abgetastet und digital erfasst. Die komplex bearbeiteten Daten konnten dann mit der Fünfachs-CNC-Fräse der Holzingenieure in eine passgenaue, kraftschlüssige Ergänzung in rezentem Lindenholz umgesetzt werden. Die abschließende Oberflächenbearbeitung, Farbanpassung und Montage der Ergänzungen nach konservatorischen Gesichtspunkten lag sodann in restauratorischer Hand. Damit ist der sichere Stand des Gestühls bei größtmöglicher Bewahrung der historischen Holzsubstanz wieder gewährleistet.

Was sich hier vielleicht als glatte Erfolgsstory liest, ist in Wirklichkeit das engagierte Experimentieren, die hoch entwickelte digitale Ausstattung der Hochschule, fakultätsübergreifend für die unterschiedlichsten Fragestellungen einzusetzen und auszureizen. Die Studierenden nehmen die Erfahrung, die aus diesen innovativen Ansätzen erwächst, mit in die Praxis der Zukunft.

Eine Bildergalerie siebenbürgischer Chorgestühle, die von Studierenden der Fachrichtung Möbel und Holzobjekte während mehrerer Studienfahrten in Rumänien aufgenommen wurden, ist eingerichtet.

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Weitere Informationen:

  • Prof. Dr. Gerdi Maierbacher-Legl
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