TELL – Konzeption und Entwicklung einer Plattform zur Telediagnostik und Teletheraphie bei neurogen Sprachstörungen - teletherapeutisches lebensgechichtles Erzählen zur Steigerung von Lebensqualität
Hintergrund
Pro Jahr erleiden in Deutschland ca. 270.000 Menschen einen Schlaganfall, davon sind 30% von einer Aphasie betroffen. Aphasien sind erworbene neurologisch bedingte Sprachstörungen. Sie kennzeichnen sich durch Beeinträchtigungen in allen sprachlichen Modalitäten, dem Sprechen und Verstehen sowie dem Lesen und Schreiben. Als Folge können massive Beeinträchtigungen in der Kommunikation auftreten. Dies kann zu Einbußen in der Lebensqualität führen. Auch für Angehörige kann die Situation sehr belastend sein.
Das Konzept der Biographiearbeit zielt durch die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte darauf ab, kritische Lebensereignisse zu bewältigen. Durch die Reflexion eigener Stärken soll die Selbstwirksamkeit gesteigert werden. Analoge Biographiearbeit in Einzel- und Gruppensettings führt zu Verbesserungen der Lebensqualität und des psychischen Wohlbefindens. Das Verfahren gilt international als Maßnahme zur Prävention von Depressionen bei Aphasie. Auch positive Auswirkungen auf die Kommunikation konnten beobachtet werden.
Äußere Umstände, wie eingeschränkte Mobilität und Fachkräftemangel, erschweren eine flächendeckende logopädische Versorgung. Teletherapeutische Angebote können den Zugang erleichtern. Die Durchführung in Gruppen kann zu einem Aufbau des sozialen Netzwerks führen.
Zielsetzung
Ziel des Projekts TELL ist die Entwicklung und Evaluation einer digitalen, sprachtherapeutischen Plattform. Die Plattform soll digitale Therapie und Diagnostik für Menschen mit neurogenen Sprachstörungen wie Aphasien ermöglichen. So können die Patient*innen im häuslichen Umfeld an erzählbasierter Biographiearbeit in Einzel- und Gruppensitzungen zur Steigerung der Lebensqualität teilnehmen. Da die freie Erzählung über die persönliche Biographie im Vordergrund steht, werden die Teilnehmenden individuell in ihrer Kommunikation gefördert. Die Plattform enthält deshalb zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten wie Schreiben, das interaktive Bearbeiten von Dokumenten oder das Verwenden von Bildmaterialen (u. a. persönliche Fotos).
Zur besseren Durchführung und Organisation der Behandlung wird innerhalb der Plattform ein Therapiemanagementsystem entwickelt und erprobt. Mit dem System sollen beispielsweise Terminabsprachen mit Erinnerungsfunktion, Dokumentationen und Berichte erleichtert werden. Neben der Durchführung und Organisation von Gruppen- und Einzeltherapien soll die analoge Diagnostik um eine, in die Plattform integrierte, digital basierte Testung erweitert werden.
Es soll der Einsatz von Machine Learning, einem Teilbereich der künstlichen Intelligenz, in der Erhebung von kommunikativen Parametern und der Stimmung geprüft, getestet und evaluiert werden.
Methodik
In einem iterativen, nutzerzentrierten Entwicklungsprozess wird eine Plattform entwickelt, welche die Anforderungen von Menschen mit Aphasie und von Logopäd*innen/ Sprachtherapeut*innen berücksichtigt. So soll es den Betroffenen ermöglicht werden lebensgeschichtlich orientierte Gespräche nach dem Therapiekonzept narraktiv (Corsten et al., 2014) zu führen.
Evaluiert wird die Plattform in einem Vorher-Nachher-Design mit Follow-up Untersuchung. Die Intervention erstreckt sich über drei Monate mit 5 Einzel- und 7 Gruppensitzungen, die über die Plattform durchgeführt werden. In den Prä-, Post und Follow-Up-Testungen werden die Lebensqualität sowie die Kommunikation der Teilnehmenden erhoben. Bei der Posttestung und beim Follow-Up wird des Weiteren jeweils ein Interview zur Usability der Plattform sowie der Persönlichkeitsentwicklung geführt. Im Rahmen der Evaluationsphase sollen auch die automatisierte Diagnostik sowie das Therapiemanagement der Plattform erprobt werden.
Das Projekt wird im Rahmen der Maßnahme ‚KMU-innovativ‘ im Programm ‚IKT, Datenwissenschaft, Informationstechnologien, Industrie 4.0‘ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 870.000 Euro gefördert.