Projektverantwortliche
Prof. Dr. Alexandra Engel
Finanzierung
BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung
Projektträger
VDI
Förderkennzeichen
416 - 45031-9/8 - 13FH033SA8
Projektkosten
719.485,14 €
Dauer
01.09.2020 bis 31.08.2024

JOLanDA – Verbesserung der Orientierungskompetenz von Jugendlichen in ländlichen Regionen bei biografischen Entscheidungsprozessen

Abwanderung aus ländlich-peripheren Räumen (vgl. BBSR o. J., im Folgenden ländliche Räume) stellt betroffene Regionen noch immer vor große Herausforderungen. Auch wenn mittlerweile nicht mehr von einer „Landflucht“ gesprochen werden kann und es sich eher um „schleichende Prozesse“ (vgl. Münter/Osterhage 2018) handelt, so sind es doch vor allem junge Menschen und Aspirant*innen höherer Bildung, die aus ländlich Regionen fortziehen (vgl. Milbert/Sturm 2016).

Damit fehlt es den betroffenen Regionen zum einen an Fachkräften für die regionale Wirtschaft, zum anderen aber auch an einer kritischen Masse kreativer Akteur*innen. Dieser Verlust führt dazu, dass endogene Entwicklungspotenziale nicht aktiviert werden können und sich die Situation weiter verschlechtert (vgl. Bürkner/Matthiesen 2007).

Die Folge ist eine fortschreitende Peripherisierung, also die Abkopplung der betroffenen Regionen von den ökonomischen, politischen und kulturellen Machtzentren sowie der Verlust von Teilhabechancen und die Verengung von Handlungsspielräumen für die Bewohner*innen (vgl. Barlösius/Neu 2007). Sozialwissenschaftlich betrachtet ergeben sich daraus gesellschaftliche Marginalisierungsprozesse für die Betroffenen (vgl. Kühn 2016).

Doch nicht nur für ländliche Regionen stellt die Entwicklung ein Problem dar: Stetige Vermehrung und Veränderung von Ausbildungsmöglichkeiten sowie sich wandelnde Qualifikationsanforderungen und Berufsbilder erschweren es einem Großteil der Jugendlichen sich einen Überblick zu verschaffen, geschweige denn eine reflektierte Entscheidung vor dem Hintergrund vor allem individuell relevanter Informationen zu treffen (vgl. Schametat et al. 2017, S. 93ff.; Vogelgesang 2019, S. 23f.).

Die starke Relevanz der Binnenmigrationsentscheidung („Gehen oder Bleiben?“) für Landjugendliche (der Einfachheit halber benutzen wir im Folgenden den Begriff der „Landjugendlichen“, wohl wissend, dass weder die Jugend noch der ländlichen Raum als jeweils homogene Kategorie existieren), die im Gegensatz zu Jugendlichen aus urbanen Räumen nicht vorrangig mit der Berufswahlentscheidung konfrontiert sind, stellt eine zusätzliche Herausforderung dar (vgl. Vogelgesang/Kersch 2016; Meyer et al. 2017). Damit wird die Frage nach der eigenen Zukunft von Jugendlichen in ländlichen Räumen auch zu einer individuellen Problemlage, die professioneller Unterstützung bedarf.

Ziel des Vorhabens ist, Landjugendliche im Übergang Schule-Beruf stärker zu unterstützen. Das Projekt setzt zeitlich bereits vor dem Prozess der Berufsorientierung (BO) an. Zur Lösung der o. g. Herausforderung wird das Projekt eine regional anpassbare, digitale Applikation entwickeln, die mit verschiedenen mobilen Endgeräten genutzt werden kann. Die Anwendung wird Unterstützung bei der Entscheidungsfindung ergänzend zur Frage nach beruflichen Präferenzen bieten. Sie soll im Gegensatz zu den zumeist institutionellen Angeboten der BO freiwillig, außerschulisch und vor allem spielerisch genutzt werden.

Jugendliche sollen sich frei von (be-) wertenden oder limitierenden Rahmenbedingungen mit ihrer Zukunftsplanung befassen können. Der spielerische Charakter der Anwendung wird wesentlich ihre Attraktivität bestimmen und den Anreiz zur außerschulischen Nutzung des Angebotes darstellen. Integriert werden vielfältige Instrumente wie u. a. Gamification (vgl. u. a. Deterding et al. 2011; Hamari et al. 2014).

Zentrales Element der digitalen Anwendung ist der Verweis auf analoge regionale Beratungsangebote und Netzwerke sowie für Jugendliche ansprechbare „Botschafter*innen“. Dies sind junge Menschen, die in ländlichen Regionen berufliche und private Perspektiven gefunden haben und Mentor*innen sein können.

Ziel ist, Landjugendliche durch die spielerisch aufgebaute digitale Anwendung in Kombination mit analogen Kontakten in ihren biografischen Entscheidungsprozessen anzuregen, zu unterstützen und durch eine Schärfung der intrinsischen Motivationen und Sensibilisierung besser auf die Nutzung (institutioneller) Angebote der BO vorzubereiten.

Damit schließt das Projekt eine bedeutsame Lücke zwischen vorhandenen Angeboten der BO, deren Wahrnehmung und Wirksamkeit. Nach einer Pilotphase in der bereits durch Vorgängerprojekte erschlossenen Untersuchungsregion, dem Landkreis Holzminden in Südniedersachsen, wird die Anwendung auf der Grundlage eines Übertragungskonzeptes auch in weiteren ländlichen Regionen eingesetzt werden können.

Die Anwendung wird dauerhaft zur Nutzung zur Verfügung stehen. Der Vorteil gegenüber bestehenden digitalen Ansätzen in der beruflichen Orientierung, ist, dass der hier skizzieret Lösungsvorschlag die bisherigen institutionalisierten Pfade verlässt und auf eine Freiwilligkeit der Jugendlichen setzt. Zudem sind aktuell keine Lösungen für die expliziten Problemlagen von Jugendlichen in ländlichen Regionen (hier vor allem Doppelbelastung bei biographischen Entscheidungsprozessen) bekannt.